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Eisbärenlauf Wien

Eisbärenlauf Wien

Vor der Haustür laufen heißt vor der Haustür laufen, egal wo man ist. Im Moment bin ich in Wien. Und da gibt es eine super breite Trasse, die Praterallee. Und just als ich zwecks Lesung aus dem Ruhrgebiet angereist war, gab es dort den Eisbärenlauf. Na dann, das war doch die perfekte Gelegenheit fand ich und meldete mich spontan für den Halbmarathon an.

Eigentlich war geplant, dort die Runden mit meinem Verleger Egon Theiner zu drehen, aber er bekam einen unaufschiebbaren Termin. Doch genau so wie ich das in meinen Büchern beschreibe, passieren am Rand des Laufens die eigentlichen Wunder. Als ich laut überlegte, ob ich das so toll fand, in einer mir fremden Stadt gleich einen Wettkampf zu laufen, befand meine schnelle Freundin fix, dass Wien immer eine Reise wert ist und wir rockten das Ding gemeinsam.

Das heißt, sie sprintete vorneweg und holte souverän den Altersklassensieg während ich darüber nachdachte, was am Prater anders ist, als auf der Springorum Trasse. Natürlich fehlten meine Franks und Günnis, die normalerweise an jeder Ecke auftauchen. Aber ich phantasierte mir ihre Zurufe und ihre Schritte, wenn man jahrelang zusammen läuft, geht so etwas. Ansonsten waren sehr viele andere nette Menschen da, die mich beruhigten, als ich dachte, ich hätte den Wendepunkt verpasst und mit Musik und Applaus für Stimmung sorgten. Es gab in die eine Richtung Gegenwind, in die andere Sonne, am Rand liefen Eichhörnchen und blühten die Veilchen. Zwischendrin kam sogar die Polizei auf den Parcours und soweit ich das im Augenwinkel erkennen konnte, wurde eine junge Frau in rosa Leggings verhaftet. Daraufhin hatte ich die nächsten Kilometer Kopfkino. Diebstahl am Praterstern. Familiendrama an der Praterallee. So entstehen meine Romane. Was könnte da passiert sein?

Dann bekam ich Hunger und hätte auch gerne jemanden überfallen, der mir etwas zu essen anbot. Aber es waren nur noch zwei Kilometer, das geht dann auch hungrig, wenn man langsam genug läuft. Das Frühstück war einfach schon sehr lange her.

Dann phantasierte ich mir einen Fiaker mit Wolldecke, der mich zur Dusche fuhr, in Wirklichkeit eierte ich auf müden Beinen in die Arme meiner Freundin. Trasse ist klasse. Das gilt in Wien genauso wie in Bochum.