Ich habe einen Trick, wie man die Nordseeküste einmal ganz ohne Touristen erleben kann: Man fährt morgens um 6 Uhr nach Cuxhaven-Duhnen und läuft dann im Oktober um 7 Uhr bei Sturm, Regen und Dunkelheit nach Otterndorf zurück. Zugegeben, ich hatte mir für die Stipendienzeit einen goldenen Oktober gewünscht, um die gute Nordseeluft zu genießen. Aber drinnen bleiben ist keine Alternative und wenigstens einmal wollte ich diese Strecke laufen.
Ich habe es nicht bereut, im Gegenteil, ich würde das jederzeit wieder tun. Gerade bei diesen Bedingungen. Am Anfang brauchte ich das Handy zur Navigation, wobei ich immer wieder Angst hatte, dass mir Wind und Regen meinen Minicomputer aus der Hand schlagen würden. Dafür hatte ich den Duhner Sandstrand für mich alleine. In der Dämmerung erkannte ich Möwen, Strandläufer, Austernfischer und Krähen. Die Wellen wisperten, der Wind ruckelte an den Metallstäben der Laternen und das Rufen der Vögel war die Melodie des Tags. Die Pfützen sorgten bald für nasse Füße, aber das war so egal, als plötzlich die Sonne durchbrach und das graue Wasser in ein blaugrünes Leuchten verwandelte. Kugelbake, Leuchtturm, Hafen und dann Deich und nichts und niemand. Der Himmel, das Licht, der Wind, unendliche Weite und das Gefühl, ich könnte einmal um die Welt laufen. Die 26 Kilometer bis Otterndorf haben dann aber doch gereicht.
Die Schuhe sind auch einen Tag später noch nass und der Kopf erfüllt mit 1000 glücklich-lebendigen Augenblicken.
31.10.2025
