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Die Schlammwanderer

Die Schlammwanderer

Bochum hat einen Alpenverein. Das glaubt einem jenseits des Mains schon niemand, weil sie nicht ahnen wie hübsch wir es hier haben. Viele Jahre war ich Nutznießerin der legendären Karfreitagstouren, deren Eis am Wegesrand und nummerierte Essensbestellungen uns auch heute noch gedanklich begleiten. Nun habe ich nicht so ein begnadetes Organisationstalent, aber angesichts der steten Suche nach Wandervögeln, die eine Tour anbieten, dachte ich, das sollte schon Mal drin sein. Schließlich bin ich andauernd draußen unterwegs und entdecke viele schöne Wege.

Es begann also eine Zeit in der ich ständig dachte: „Na, hier ist es ja super, das würde ich gerne anderen zeigen.“ Aber dann gab es zwei weitere Phänomene: Erstens sagte mein Liebster meistens, das wäre nicht toll oder zu schwierig oder die Anfahrt unpraktisch und zweitens lief ich in meinem Übermut meist irgendwelche Schleifen und Ecken und Kanten, die eigentlich doch nicht wandertauglich waren. Immerhin hatte ich einen kleinen Nebenweg im Herbst entdeckt, der zwischen überquellend leuchtendem Herbstlaub ein Kleinod zu sein schien und den ich jedenfalls in die Liste der geeigneten Strecken aufnahm. Wo ein Anfang ist, gibt es auch eine Tour.

Schließlich war es dann soweit. Es war kein bunter Herbsttag sondern ein feuchter Februar, wir standen am Busbahnhof und ich überlegte, was soll das für eine Story werden? Nasse Wege in Nierenhof klingt schon nicht so nett wie Sonnentour zur Seiser Alm. Und es sieht auch nicht so aus. Meine kleine Wandergruppe beäugte mich aber frohgemut, Regenjacken waren dabei und auf ging es. „Ich bin seit fünf Jahren nicht mehr so weit gewandert.“, schränkte ein Teilnehmer seine Leidensfähigkeit ein und ich dachte, verflixt, warum verliebe ich mich immer in Wege mit Höhenmetern und Schlammgruben. Aber die anfangs geäußerten Zweifel erwiesen sich als vollkommen unbegründet. Vielmehr waren wir alsbald eine plaudernde Gruppe mit zügigem Schritt und ich musste zusehen, dass ich die Abzweige nicht verpasste. Zunächst begegnete uns keine Menschenseele, später kam uns ein Wandertrupp entgegen und warnte: „Das ist eine Rutschpartie!“ Wir Wanderfreudigen ließen uns aber nicht entmutigen, schlidderten durch die Mocke abwärts bis wir an den Bach kamen, der derzeit ein Fluss ist. Durchwaten war keine Option. Für eine Fähre war es doch zu wenig Wasser. Baumstammklettern war die einige Möglichkeit. Aber ich brauchte mir um mein Team keine Sorgen zu machen. Der 81jährige spurtete als Erster galant über die glitschigen Stellen und stand dann den anderen hilfsbereit zur Seite. Erfahrung ist wirklich viel wert. Aus dem feuchten Dunkel ging es anschließend wieder aufwärts, der Regen hörte auf, die Sonne lugte durch die Wolken und wir hatten Aussicht über die Hügellandschaft, die ich so liebe. Alle anderen freuten sich auch und mein Freund machte sogar ein Foto. An einer feuchten Bank zelebrierten wir unsere Halbzeitpause ebenfalls in zügigem Tempo. Es war schließlich feucht und kühl. Immer wenn ich sagte, jetzt haben wir die schwierigen Stellen hinter uns, kam ein weiteres Matschloch oder ein kleiner Abhang. Die Tour ist eben erst geschafft, wenn sie geschafft ist, sagte der Erfahrene. Er hatte sehr Recht, denn fast hätten wir uns auf dem letzten Kilometer noch alle auf die Nase gelegt, weil der asphaltierte Weg eine glitschig glatte Moosschicht aufwies. Das ist aber das Gute an einer Gruppe, da rutscht immer nur der Erste und die anderen wissen dann Bescheid.

Endpunkt war die Bäckerei Woop. Als ich die Bäckersfrau anlächelte: „Wir wollen den Kuchen hier verzehren, nicht mitnehmen“ entgegnete sie sehr pragmatisch: „Das ist mir egal, was wollen sie denn haben?“ und zack zack hatten wir alle unseren Tortenauswahl auf dem Teller. Sie hat also wirklich gut in unser flottes Team gepasst.

Am Ende waren wir also alle satt, glücklich und unverletzt und die Langenberger Hügel brauchen überhaupt kein Herbstlaub, um zu begeistern.