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Nummer Acht und die Gezeiten

Nummer Acht und die Gezeiten

Ebbe und Flut sind an der Küste selbstverständlich und im Leben begleitet uns der stete Wechsel natürlich auch.

Alles super, alles doof.

Wer glücklich sein will, braucht auch das Unglück, denn nur im Kontrast können wir es fühlen. Hell und dunkel.

Am 11. Mai 2024 hatten wir sechs Stunden Gelegenheit, dieses Wechselbad der Gefühle laufend zu erleben. Zur Startzeit zeigte der Blick über den Deich das wasserlose Watt, als die Veranstaltung endete war der Nordsee-Pool mit Wasser gefüllt und ich mit tollen Erlebnissen.

Eine 3,3 km lange Runde um die Seenlandschaft in Otterndorf galt es unter die Fußsohlen zu nehmen. Einmal, zweimal, immer wieder. Ich hatte Startnummer 8, meine Glückszahl. Die 8 leuchtete mir dann noch von einem Baum entgegen, so ist das beim Laufen, eine magische Welt. Das besondere an langen Läufen ist, dass ein eigenes Universum entsteht während man Kilometer um Kilometer abspult. Da irgendwo außerhalb dieser Blase sind Urlauber und Touristen, die nicht wissen, wie köstlich ein Gummibärchen schmecken kann und welche Leckerei ein Becher Wasser darstellt, wenn die Sonne brennt und die 30 km schon hinter einem liegen.

Dabei ist so ein 6-Stundenlauf ein bisschen wie Monopoly spielen. Wie auch immer die Würfel fallen: Gehe zurück auf Start. Als ich zum sechsten Mal bei dem 1 km-Schild vorbei kam, habe ich es gehasst, bis zur 13. Runde hatte ich es aber wieder in mein Herz geschlossen.

An den Straßenquerungen standen aufmerksame Helfer und hielten Autos und Radfahrer für uns auf damit wir unversehrt passieren konnten.

„Für dich würde ich die ganze Welt anhalten“, bekam ich mit auf den Weg und nach so einem Satz fliegt man dann schon Mal einen Kilometer ganz locker. Bevor mir wieder auffiel, dass die Beine mit Charme alleine auch nicht wieder frisch werden.

Der Kuckuck rief, die Temperaturen stiegen, die Gespräche waren aufmunternd und kurz, wir brauchten den Atem anderweitig. Meine Strategie im Schatten zu wandern, in der Sonne zu laufen, kam allmählich durcheinander je höher die Sonne stieg und je vertrockneter mein Gehirn war. Schatten, Sonne, wandern, laufen, Sonne, wandern, Schatten. Momente in denen ich mich leichtfüßig fühlte, wechselten in schneller Folge mit schlurfenden Gehpausen. Alles ist leicht, alles ist schwer, wo gibt es den nächsten Keks, 500 Meter sind nur ein halber Kilometer und trotzdem endlos.

Irgendwann gab es ein Hupen und Tuten und wir waren alle vom Laufen befreit. Das, was wir so lieben, kann so wunderbar sein, wenn es endet. Die Welt ist ein bisschen verrückt, ich habe 44,446 km auf einer wunderschönen Urkunde stehen, hatte damit Platz 8 (!) der Frauen, Platz1 der Ü60 und 888 intensive Momente im Kästchen der Erinnerungen.