Ich habe eine Freundin, die sagt manchmal: „Hast du nicht Lust….?!“ Und dann schlägt sie weder ein Café noch einen Schaufensterbummel vor, sondern einen Lauf. Diesmal waren es 54 km mit satten 2600 Höhenmetern im Land der Kuckucksuhren. Als Belohnung winkten vier Punkte bei der ITRA (International Trail Running Association), damit kann man sich dann bei Läufen anmelden, die ich niemals machen möchte.
Aber Höhenmeter fand ich in jedem Fall verlockend, vor allem weil ich bei dieser Runde dann immer noch im Schwarzwald war und nicht etwa auf einem zugigen 2000er im Schnee. Trotzdem machte ich mir so meine Gedanken, ob ich mich wirklich von der Trassenläuferin zur Schwarzwälder Bergfee verwandeln könnte. Immerhin hatte ich die hügeligen 70 km in Monschau im Sommer erfolgreich gewuppt. Wir versuchten Informationen zu möglichen Cut off Zeiten zu erlangen. Vergeblich. In der Ausschreibung war nicht einmal klar, ob es 54 oder 59 km sein sollten. Nur die Zielzeit war mit 9 Stunden festgelegt, wobei sich in den Ergebnislisten der letzten Jahre keine DNFs (do not finish) fanden, aber durchaus Zeiten von über 9 Stunden. Wir dachten also, da gibt es viel Kulanz, vielleicht wollen sie einfach alle zehn Damen, die angemeldet waren ins Ziel bekommen (Herren waren ein paar mehr).
Wir starteten also schließlich frohgemut in einen perfekten Tag, kühl, kein Regen. Von meiner flinken Freundin sah ich alsbald nur die Rücklichter, aber dachte mir: Der Tag ist noch lang, bleibe ich Mal vorsichtig. Im Nachhinein muss ich sagen, das war eher ein Fehler, denn die ersten 15 km waren eigentlich das einzige Terrain, dass ich noch ganz gut laufen konnte. Danach war es entweder zu steil oder zu wurzelsteinmatschholperig für mich. Nicht zu stürzen war die oberste Devise. Nach dem zweiten Verpflegungspunkt, der übrigens wider Erwarten reichhaltig mit Käse, Kuchen, Keksen, Wasser und Äpfeln bestückt war (auch dazu gab es vorher keine Information), hatte ich die Schnelleren vor mir aus den Augen verloren und ein paar Langsamere hinter mir gelassen. Wanderer gab es keine und so klettertrabte ich völlig allein durch den nebligen Wald, immer konzentriert auf die orangenen Markierungen, die uns den Weg wiesen.
Es war eine phantastische Stimmung, moosige Felsen, Pilze, Tannen, Fichten, ein Reh und watteweißer Nebel. Der magische Hörnleberg, eine Zauberwelt. Nach einer Stunde einsamer Waldpfade plötzlich ein Mensch: Ob es mir noch gut geht?! Na klar, ich war vergnügt, wenn auch langsamer als gehofft. Weiter ging es auf und ab, durch Wiesen, über Matsch, auf weichem Waldboden entlang. Es gab auch Forstwege, die kreuzten wir aber allenfalls, um dann wieder in das Dickicht abzubiegen. Es ist eben kein Schwarzwälder Hügellauf sondern der berüchtigte Black Forest Trail, wer sich die Punkte holen will, braucht schon einen Berg-Führerschein. Die dritte der vier Verpflegungsstellen war wieder reichlich bestückt mit Köstlichkeiten und sehr lieben Menschen, die Sonne kam heraus und es machte allmählich richtig Spaß.
Auf der nächsten Etappe fand ich eine Mitstreiterin, sie war bergab schneller, ich bergauf, im Durchschnitt hatten wir dasselbe Tempo und es war sehr schön, gemeinsam den Pfad zu finden. Dann tauchte die vierte und letzte Verpflegung auf, wir jubilierten schon ein bisschen, denn wir fühlten uns noch fit für die letzten 10 km, wenn die auch noch über den Berg gehen sollten. Aber da kam es anders als gedacht. An dieser Stelle boten uns die lieben Menschen wieder ihre Leckereien an und nachdem wir freudig gesnackt hatten, plötzlich dieser schreckliche Satz: „Weiterlaufen dürft ihr aber nicht mehr, das wird zu spät“. Wir zwei standen ein bisschen wie vom Donner gerührt, dass jetzt doch plötzlich ein Cut off aus dem Hut gezaubert wurde. Ob wir denn auf eigene Verantwortung zu Ende laufen dürften? Nein.
"Und nun?", fragte ich etwas entgeistert, denn irgendwie mussten wir schließlich zum Ausgangspunkt kommen.
„Da vorne gibt es einen Bahnhof“.
Meine Mitstreiterin und ich wechselten einen einvernehmlichen Blick. Unverletzt die Route im Zug zu beenden war einfach keine Option. Wir wanderten also die letzten 5 km jenseits der bergigen Originalstrecke zurück zum Ziel, wo meine Granaten-Freundin gerade angekommen war. Da wir zwei Wandervögel am Schluss noch über die Zielmatte stapften, stehen wir nun mit einer Zeit von 8:34 Stunden und DNF in der Liste, wohingegen die vier nach uns nirgends mehr aktenkundig wurden. Es bleibt also wohl immer ein schwarzes Geheimnis wie viele Leute ohne Urkunde von der Strecke verwiesen wurden.
Der schöne lange Lauf durch die Wälder ist aber nicht nur auf meiner Uhr (49km, 2300 Höhenmeter) sondern auch in den Muskeln dokumentiert.
Im Black Forest Trail Angebot gab es übrigens noch einige weitere Läufe mit kürzeren Distanzen und deutlich leichterem Terrain. Die Streckenbesichtigung unternahm ich dann anderntags plaudernd beim Wandern mit meiner Trailkönigin-Freundin.
Statt der ITRA-Punkte habe ich nun einen schönen roten Bollenhut für meinen Teddy und immerhin sogar eine Medaille, die mir eine freundliche Helferin noch in die Hand drückte: „Das ist doch eine Erinnerung an den Schwarzwald!“
Aber den werde ich so oder so nicht so schnell vergessen.
7.10.2024