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Die Hölle ist ein Paradies

Die Hölle ist ein Paradies

Mulsum. Das ist so ein Ort, den jeder Laufbegsiterte kennen sollte. Alljährlich im August gibt es dort einen Wettkampf, der von Bierbude, Kuchen und Kindertanz umrahmt wird. Ein Treffpunkt zum Plaudern und eben Laufen. Nach den Kinderläufen gibt es zwei Strecken zur Auswahl: 5,3 oder 10,5 km. Start ist um 15 Uhr oder ein bisschen später, das hängt von der Bahn ab. Beide Strecken kreuzen nämlich gleich zu Anfang die Bahngleise und deswegen fällt der Startschuss erst, wenn der Regionalexpress durch ist.

Von der Sportplatzwiese geht es hinaus in die Felder und Wiesen über Kies- und Plattenwege. Landschaftlich reizvoll, aber nicht umsonst hat der Lauf den Spitznamen „Die Hölle von Mulsum“ erhalten. Was sich Unerfahrene oft gar nicht vorstellen können ist, wie sich so ein Platten-Feldweg im August aufheizen kann. Dazu der Wind, der an vielen Stellen ungehindert und wüstenwarm auf die Läuferschar pustet. Es ist also kein Kinderspaziergang.

Auch 2024 sah Petrus wohl in den Kalender und nach zahlreichen Regentagen, schaltete er für Mulsum wieder das Sonnenlicht an. Ich hatte in Otterndorf Quartier bezogen und blieb meinem Grundsatz treu, wenn möglich mit dem Fahrrad zum Lauf anzureisen. Nachdem ich tagelang überlegt hatte, wie mir das bei Gegenwind und Regengüssen gelingen sollte, genügte dann ein kurzes T-Shirt und eine ordentlich befüllte Trinkflasche. Felder, Störche, Wald, 35 km Urlaub. Nur auf den letzten Kilometern bekam ich kurz Panik, weil mich Komoot durch Sandwege führte, die ich nur wandern und nicht radeln konnte. Mein Zeitpuffer schmolz dahin.

Aber letztlich war ich rechtzeitig am Start, traf viele Bekannte und startete mit gehörigem Respekt in die Hölle. Schon auf den ersten Metern wurde mir bewusst, wie sehr ich diese Strecke mag. So eine Weite rings herum! Das Läuferfeld zog sich bald weit auseinander, nur das Knirschen meiner Schuhe begleitete mich, ein paar Vögel piepten. Nach 5 km die heiß ersehnte Wasserstelle. Freundliche Helfer wiesen uns an den Abzweigungen den Weg und meine Energie reichte noch für einen Endspurt.

Ganz so heiß wie in anderen Jahren war es diesmal nicht und als ich auf die Zielgerade einbog, lag ich noch unter 55 Minuten, 10 Sekunden schneller als letztes Jahr, was ich überhaupt nicht zu hoffen gewagt hatte. Im Alter wird ja angeblich alles schlechter.

Dann endlich folgte das Kuchenbuffet parallel zur Siegerehrung. Leider goss ich meinen Kaffee meinem Kuchennachbarn über die Hose, aber auch so ein Malheur verdirbt dort niemandem die Stimmung.
Auf dem Rückweg meinte es der Wind nicht ganz so gut mit mir, aber der Stall zieht bekanntlich und der Liebste erwartete mich mit einigen Delikatessen.

Ich kann Mulsum nur empfehlen und überhaupt bin ich ein großer Fan der kleinen Volksläufe, die mit viel Liebe und wenig TamTam organisiert werden. Die Hölle von Mulsum hat einmal mehr gezeigt, dass sie ein kleines Paradies ist.

27. Juli 2024