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Laufen in Lintig

Laufen in Lintig

Besondere Orte müssen nicht unbedingt berühmt sein. Oder vielleicht sind sie sogar gerade deshalb so speziell, jenseits von Touristenströmen und Marketing.

Lintig liegt weder direkt an der Nordseeküste, noch gehört es zum bekannten Alten Land, es ist irgendwo dazwischen. Geestland, Niedersachsen, Ein paar Höfe, einige Häuser, ein Sportplatz.

Bis letzten Samstag wusste ich nicht, dass es dieses Dorf gibt. Und eben dort hatte der Laufbegeisterte Ralf Dembeck eine Laufveranstaltung ins Leben gerufen. Basis war eine 5,2 km Runde, die ein, zwei oder gar acht Mal zu laufen war. Danach dann Medaille, Bratwurst, Kuchen, plaudern, was eben zu so einem gelungenen Volkslauf dazu gehört. Mein Liebster wollte sich das gerne ansehen, nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Füßen. Da für mich am nächsten Tag der Triathlon in Otterndorf anstand, hatte ich keine Ambitionen mich besonders anzustrengen. Aber Wettkämpfe sind eine besondere Sache. Es gibt Gleichgesinnte, Ansprachen und plötzlich ein Prickeln in der Luft, auf der Haut. Dann der Startschuss und alle rennen, ich renne.

Mittags um 12 Uhr, 27 Grad, meine Muskeln sind warm, die Landschaft hat etwas Magisches. Erst ein Maisfeld, eine Wiese, Steinplatten unter den Fußsohlen, dann weicher Waldboden. Ein paar Wurzeln, Schatten. Ich bin leicht und verliebt in den Augenblick. Ein bisschen Sand unter den Füßen, eine Kurve, ein paar Wortfetzen fliegen, mein Liebster neben mir. Dann wieder aus dem Wald heraus, die Hitze schnappt nach uns wie ein hungriges Krokodil, ein langer gerader Weg, er scheint bergauf zu führen. „Na, wollen wir die Frau noch überholen?“, fragt mein Freund. Ich schnaufe, es wird anstrengend.
Ich wollte doch locker laufen, werde etwas langsamer.

Dann biegen wir um die Ecke, die Frau ist immer noch nahe vor mir, die Beine sind locker, ich beschleunige, das Ziel in Sichtweite überhole ich ein letztes Mal.

Medaille, Gummibärchen, Melone. Es ist für alles gesorgt.

Es stellt sich heraus, dass ich mit meinen knapp 26 Minuten für die 5,2 km die erste Frau gewesen bin. Mein Freund hängt eine zweite Runde an, ich warte am Rand des Maisfelds auf ihn, Blick in die raschelnden Blätter. Manche Orte tun einfach gut.

Mit Kaffee, Kuchen und Gesprächen klingt der Nachmittag aus. Ich vermute, dass ich Muskelkater riskiert habe, weil ich passionierte Langsam-Läuferin bin. Aber es passiert nichts.
Es bleibt dieses Gefühl von Weite vor, neben und in mir. Es muss nicht immer Marathon sein. 5,2 km im Nirgendwo können genauso glücklich machen. 

Nennen wi es Lintig-feeling. Wo auch immer das passiert.

24.8.2024