Triathlon ist ein Individualsport heißt es. Außer man ist bei uns im blau-weißen Schlumpf-Verein. Normalerweise zieht beim Dreikampf jeder alleine seine Trainingseinheiten durch, die sich ein anderer für ihn ausgedacht hat, damit es sich nicht ganz so einsam anfühlt. Aber bei uns gibt es da ganz andere Möglichkeiten.
Erstens treffen wir uns einfach so, quasi zufällig, also ohne Verabredung. Ganz unerwartet ist das natürlich nicht, denn irgendwo im Umkreis unserer Wohnungen müssen wir ja unser Training absolvieren. Ich laufe oft genug alleine los, habe dann plötzlich Begleitung oder zumindest jemandem zugewinkt, was für Triathleten schon fast wie ein gemeinsamer Abend in der Kneipe ist, unser Zeitkontingent ist schließlich knapp.
Dann haben wir weiterhin ganz offiziell gemeinsame Trainings, zum Beispiel mittwochs zum Laufen auf einer 40 Jahre alten Aschenbahn, die auch als Moos-Zuchtanlage durchgehen könnte und freitags früh um 6 Uhr zum Schwimmen. Es ist also nicht alles hip bei uns, aber das ist egal, weil diese Termine Kult-Status haben. Das ist so ungefähr wie mit dem Magenbitter, der heute als Partygetränk vermarktet wird, aber immer noch an seinem Hirschkopf zu erkennen ist. Uns erkennt man mittwochs an rot-sandigen Schuhen und freitags an den Augenringen, die Schwimmbrillen gemeinsam mit Schlafmangel in die Gesichter zaubern. Wer nicht dabei war, hat einfach was verpasst.
Ja und dann gibt es die Wettkämpfe, die bei der Liga auch als Team-Ereignis zu verstehen sind, aber trotzdem muss jeder sein Schwimm-Rad-Lauf-Turnier alleine fertigstellen. Das ist so als würde jeder Fußballer einen eigenen Fußball zum Spielen bekommen, aber ich glaube es ist besser diese Sportarten nicht miteinander zu vergleichen.
Schlussendlich gibt es bei uns Schlümpfen noch das Format des Picknick-Triathlons. Es handelt sich dabei um eine vierteilige Veranstaltung, also eigentlich ein Quadrathlon, nur dass wir zum Schluss Kuchen essen, statt Kanu zu fahren. Grundlage für dieses Schlumpf-Ereignis war in diesem Jahr der Aasee-Triathlon, der vom Sprint über die olympische bis zur Mitteldistanz alles im Angebot hatte und damit die günstige Gelegenheit bot, dass alle, die erst um 12:30 Uhr starten würden, schon mit den Frühstartern um 6 Uhr anreisen konnten. Da hatten sie dann schon ein bisschen Zeit in der Sonne vor sich hin zu trocknen und freuten sich um so mehr auf den veralgten See.
Für das Picknick gab es keinen Plan, den hätte ja erst wieder jemand schreiben müssen, sondern jeder sollte einfach ein bisschen was zu essen für alle mitbringen. Natürlich liefen wir damit Gefahr, dass jede und jeder Waffeln in sein Picknickkörbchen packte. Oder Tomaten. Aber was wäre dann schon gewesen? Dann hätten wir eben einen Waffel- oder Tomaten-Tag gehabt oder Ketchup hergestellt, uns wäre schon was eingefallen. War allerdings nicht nötig, das Angebot war vielfältig.
Dabei gestaltete es sich dann so, dass im Laufe des Tages immer jemand auf der Strecke wettkämpfte, picknickte oder sich gerade zur Siegerehrung aufmachte. Unsere Schlümpfe hatten offensichtlich alle Raketen gefrühstückt und landeten so oft auf dem Treppchen, dass der Moderator ganz irritiert sagte: „Bochum, schon wieder aus Bochum.“ :-)
Ich hatte mich zu keinem der Wettkämpfe angemeldet, das ist dann jedoch kein Ausschlusskriterium für das Picknick und die Schlumpf-Zugehörigkeit, denn es gibt noch die wichtige Position des Fans. Das ist beim Triathlon besonders wichtig, denn im gemeinen Volk trifft man viele, die es verrückt finden, nass aufs Fahrrad zu steigen oder bei 30 Grad 21 Kilometer zu laufen. Jeder Fan ist dagegen frei von Zweifeln und überzeugt, dass salzverkrustete Lebewesen in Strampelanzügen die wunderbarsten Lebewesen sind, die es auf der Welt gibt. Na klar.
Deswegen hatte ich mich morgens um 6:30 Uhr aufs Fahrrad geschwungen und war die 68 km zum Start am Aasee gestrampelt, denn ein bisschen trainieren wollte ich schließlich auch. Morgens war das eine feine Angelegenheit, die Luft noch kühl, kein Wind und abgesehen von den Schlümpfen, schliefen die meisten Menschen noch. Freie Fahrt, soweit das Gelsenkirchner Schlagloch-Baustellen-Pisten zulassen. Ich konnte zumindest interessante Bemühungen studieren, die Radfahrenden den Autofahrenden vom Leib zu halten, indem sie mit „Radfahrer bitte schieben“ -Schildern aus dem Verkehr gezogen wurden. Ich habe niemanden gefunden, der mich geschoben hat, musste alles selber treten und war dann gerade rechtzeitig an der Strecke, als drei Schlümpfe vom Schwimmen auf die Fahrräder wechselten. Ich brüllte so laut „Blau-Weiß Bochum, gib alles“, dass ein Zuschauer vor mir zusammen zuckte und sich nach mir umdrehte als hätte ich „Es gibt Schokoladeneis für alle“ gerufen. Dafür wäre es allerdings zu warm gewesen, auf der Wettkampfstrecke wurden alle schön von der Juni-Sonne gebraten, das ganze ist schließlich kein Kindergeburtstag. Wenn man schon so viel Spaß hat wie wir, muss doch ein Haken dabei sein.
Ich konnte mich allerdings erst einmal unter den Picknickbaum zurückziehen, den unsere Orga-Schlumpfine sogar mit Koordinaten in unsere social media Gruppe gesetzt hatte, so dass sich auch Nachzügler orientieren konnten. Das haben wir nämlich auch noch für unseren Teamfaktor: drei bis fünf verschiedene Chat-Gruppen und seit neuestem auch noch einen speziellen Terminplaner. Wer in jeder Gruppe ist, bekommt dann mehrfach die gleiche Post, was gar nicht so schlecht ist, schließlich sind wir alle vergesslich. Im Wettkampfgeschehen wird diese Eigenschaft besonders deutlich. Was wir schon alles gesucht haben. Anzüge, Startnummern und am Aasee tauchte ein einzelner Badeschuh auf. Der darf nun nächste Woche mit zum Stammtisch, da sieht er auch Mal was anderes.
Apropos baden: Nachdem alle Wettkämpfenden von der Strecke waren, bin ich auch noch in den See gehüpft. Daraufhin kam gleich ein Ruderboot an und die Ruderer fragten, ob ich Hilfe brauchte. Ich muss an meiner Schwimm-Performance noch arbeiten. Stattdessen habe ich mich allerdings wieder auf den Sattel geschwungen und bin im 30 Grad warmen Gegenwind nach Hause geradelt. Gerstenfelder, Fasane, Mohnblumen, Flussauen. Gelsenkirchen habe ich dann ganz neu lieb gewonnen, weil es dort klimatisierte Tankstellen gibt, wo sich Getränke kaufen lassen.
Es hat also alles seine zwei Seiten und der Einzelkämpfer-Sport Triathlon kann auch WG-Atmosphäre vermitteln. Es kommt eben immer darauf an, was man daraus macht. Und wenn der einsame Badeschuh keinen Besitzer mehr findet, kleben wir einfach einen Schlumpf drauf und machen einen Pokal daraus.
Uns fällt schon was ein.
VIGLi, 11.6.2023