Ich besitze kein Auto, das ist gut für die Umwelt, aber manchmal schlecht, um ein Ziel zu erreichen. Zum Beispiel Wuppertal. Denn dort organisierte Oli Mal wieder einen Lauf. Meine Lauf-aktive Nachbarin hatte Interesse und ein Auto, alles schien paletti. Aber dann kam kurzfristig etwas bei ihr dazwischen. Schicksal, dachte ich, wer will schon bei diesem Nicht-Wetter 50 km laufen?
ICH, sagte ein trotziges Stimmchen. Social media sei Dank tat ich bald Dirk aus Bochum auf. Wir kannten beide die Tortour de Ruhr, also quasi auch uns. Die Verabredung dauerte im Gegensatz zum Lauf nur wenige Sekunden.
Samstag morgen, es schüttete und ich freute mich auf 300 Mitstreiter denen das egal war. Am Gartenhallenbad in Wuppertal wischten alle noch ein wenig auf ihren Smartphones herum, die Wetter-App war blau wie das Schwimmbad. Aber im nächsten Moment war das egal, denn wir waren unterwegs.
Rote Mützen markierten die Guides, die als streckenkundig galten. Also zum Beispiel sagten sie „Letztes Mal sind wir hier lang, aber vielleicht sollten wir heute….“ Und dann guckten sie auf ihre Uhren, stritten sich eine Weile und dann ging es hoch. Am Anfang gleich so steil, dass sich ein paar Läufer als lebende Seilsicherung in der Mocke festpflanzten und uns über die Wurzeln nach oben zogen. Nach acht Kilometern waren wir wieder am Bad und sahen alle schon verändert aus.
Schlammverkrustete Beine, leuchtende Augen.
Der Prolog war nur für die 50-km-Aspiranten, jetzt stießen die Marathonis und 25-km-Läufer zu uns, vielleicht auch die Wanderer, jedenfalls wurde es etwas unübersichtlich. Bergauf war ich relativ flott unterwegs, bergab glitsche ich Schneckenschleichend über Matsch und Wurzeln. Dadurch sortierte ich mich Mal hier, Mal da im Läuferfeld ein. Zeit um neue Leute kennenzulernen. Wobei meine Sympathie-Bekundungen nie so ganz uneigennützig waren, das gebe ich zu: „Hast du den Track auf der Uhr?“ war immer meine erste Frage bevor ich jemandem nachlief.
Bei Kilometer 15 fand ich zwei Euro, die lagen da so auf dem Boden und den hatte ich immer im Blick. Diesmal weniger weil ich Biologin bin, sondern mehr, weil ich das Wesen des Matsches studiert habe. Es gab hellen Schlamm, dunkle Mocke, kleine Rinnsale, größere Bäche und Watschel-Wiesen. Manchmal nützte das Profil der Schuhsohlen, gelegentlich war es eher wie Schlittschuhlaufen, egal, was man an den Füßen hatte.
Immer wenn ich gerade wieder alle Lebewesen vor und hinter mir verloren hatte und mich bald weinend im Wuppertaler Wald sah, tauchte eine Verpflegungsstation auf und es gab Lebkuchen, Kekse und Tee. Ist ja bald Weihnachten.
Markierungen gab es diesmal übrigens keine, auch auf den letzten Kilometern nicht, weil einfach nichts den Wassermassen und Sturmböen trotzen konnte. Nur wir Läuferleins schafften das.
Nachdem ich einen Raik und einen Thomas mit Track verloren hatte, kaperte ich mir zuletzt einen Lars aus Bielefeld und bat ihn inbrünstig, er möge an den Ecken auf mich warten. Ich dachte noch, vielleicht wird das kritisch, weil Bielefeld gibt es doch angeblich nicht und dann ist Lars vielleicht auch ein Phantom. Aber was soll ich sagen, ich habe natürlich noch Dinosaurier in den Nebelschwaden getroffen und bin über Canyons geflogen, aber an jeder Ecke gab mir Lars ein Zeichen und irgendwann rannten wir gemeinsam ins Ziel. Da erwarteten uns viele schmutzige Schuhe, Oii der Saunameister, ein paar frisch Geduschte und eine Urkunde.
50 km, 1600 Höhenmeter.
Auf der Rückfahrt haben wir dann angefangen uns zu beglückwünschen. Zu der Leistung und diesem kürzesten Tag, der nach Spekulatius und Umarmungen geschmeckt hat.
Es wird wieder heller und das war eindeutig der Anfang.